In anderem Licht
Mehr als fünf Jahre nach "Unschuld & Verwüstung" kehrt Barbara Morgenstern im Januar 2024 mit einem neuen Album zurück. Es heißt "In anderem Licht" und wurde von Guy Sternberg in den legendären Hansa-Studios in Berlin aufgenommen.
Das kammermusikalische Doppel-Album erzählt von der drohenden Klima-Katastrophe, der Notwendigkeit gesellschaftlicher Transformations-Prozesse und der Hoffnung auf Befreiung aus dem Zustand der allgemeinen Paralyse: "Alles kann anders sein", heißt es im Album-Opener "Die Wand" oder auch im titelgebenden Song: "Alles wird hoffentlich wie immer sein, nur in anderem Licht" und schließlich: "Nur die alte Welt nicht!". Was sich hier auf dem Papier etwas didaktisch liest, wird auf „In anderem Licht“ in meist kleine Miniaturen übersetzt, aus denen Barbara Morgenstern und ihr Ensemble dramatische Spannungsbögen und überraschende Wendungen entstehen lassen. In beeindruckender Schwarmintelligenz folgen Streicher, Saxofon, Kontrabass und Schlagzeug auf Morgensterns Flügel-Spiel. "Ich schau' mich um nach Allianzen", singt sie und stellt – nach den richtigen Metaphern ringend - fest: "Die Zeit heilt mehr als tausend Worte". So lässt sie sich in ihrer Musik alle Zeit der Welt, obwohl sie unüberhörbar um die Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen und Paradoxien in ihren Liedern weiß.
In Zeiten hart umkämpfter, im Sekundentakt vergehender und neu entstehender Aufmerksamkeits-Ökonomien und Clickbait-Logiken, die sich durch alle Lebensbereiche zu ziehen scheinen, wirkt diese auf 11 Stücke verteilte gute Stunde Musik wie Balsam. Ein zartes Manifest der Veränderung.
"Denn ich erzähl den Witz nicht mir selbst, sondern dir und mir und dann sind wir hier", singt sie in "Der Witz" und im Loop kreist die Musik,wie eine Biene, die sich zärtlich auf einer Blüte niederlassen möchte, um einen angenehmeren Jetzt-Zustand der Welt, einen Möglichkeitsraum. Bevor uns der ganze Laden am Ende doch um die Ohren fliegt und ihr Ensemble dabei die melancholischen Melodiebögen mit jeder Umrundung größer und größer wirken lässt bis sie uns wieder in einem gänzlich anderen Licht erscheinen! Wenn Barbara Morgenstern in "Dein Name" "This place will stay when we go, this place will never be the same again" singt, dann klingt das so, als würde sie die Welt für uns beschwören wollen. Oder von einem Fluch befreien. „Ich dachte immer, Verbindung zählt, die Liebe zur Sache, zum Rest der Welt!" singt sie schließlich in "Die Liebe zur Sache", und fragt sich, ob das so überhaupt noch zählt, in der Welt da draußen. Berechtigte Frage! |