Vandalismus
Lichtenberg
LP
Den groben Rahmen dessen, das VANDALISMUS hier beiläufig "meine Biografie" nennt, hat er in früheren Tracks längst erzählt: Als Kind erlebte er die Trennung von seinen Eltern, die nach ihrer Verhaftung als politische Gefangene in einem DDR-Gefängnis einsaßen. Erst Jahre später, nach ihrer Entlassung, durfte der Sohn ihnen in den Westen hinterherziehen, ins vermeintlich gelobte Land. Die Familienbande waren zu diesem Zeitpunkt natürlich längst zerrissen, eine Kinderseele verletzt, ein Junge gleich doppelt entwurzelt. "Das, wo ich herkomm, gibt es nicht mehr."
"Lichtenberg Therapie" spaziert nun in der Zeit zurück nach
Ost-Berlin und stöbert die Gespenster der Vergangenheit auf. Die Tracks
beschwören Emotionen von damals wieder herauf, den Kloß im Hals, die
Beklemmung, die Scham, das Wechselbad aus Hilflosigkeit und ohnmächtiger
Wut, das Gefühl, nirgends dazuzugehören, vertauscht worden, ein
"Wechselbalg" zu sein. "1157 LB", mit der früheren Postleitzahl von
Berlin-Lichtenberg betitelt, beleuchtet das gespaltene Verhältnis zur
Großmutter, bei der VANDALISMUS einst unterkam: eine Fallstudie in
toxischen Familienbeziehungen, in der erstmals auch die Mutter zu Wort
kommt. Generell haben die meisten in den Songs bearbeiteten Probleme
ihren Ursprung in ungesunden zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich
in Koabhängigkeitstendenzen, Verlust- und Identitätsängsten oder dem
manipulativen Arbeiten mit Liebesentzug äußern. Es geht um eine
beschädigte, entsprechend dysfunktionale Familie, aber auch um
Strategien, um mit erlittenen Verletzungen umzugehen, und um die
Kollateralschäden, die sich daraus ergeben, wenn Menschen über Jahre
hinweg Fassaden errichten, um nur nicht hineinstarren zu müssen, in die
Abgründe, in denen es schwärt. Das Cover bringt genau diese giftigen
Strukturen inklusive dem "schiefen" Heim optisch auf den Punkt. (Audiolith)