Joachim Franz Büchner Band
Hits in the Dark
LP
Joachim
Franz Büchner Band
Hits in the Dark
Erste Worte gehören Joachim Franz Büchner,
im
Bayerischen Rundfunk als „Allrounder der Hamburger Schule“
gewürdigt:
„Ich
wollte etwas Schillerndes machen, zu dem man gerne wieder zurückgehen
möchte.
Etwas, das Wärme und Kraft in unseren dunklen Zeiten gibt. Für mich
haben diese neuen Songs eine neue Klarheit. Sie sind Lichtblicke im
martialischen Kampf gegen das Sterben des Lichts.“
Manchmal
müssen Menschen sich ihrer eigenen Vergänglichkeit gewahr werden,
um Schönheit im Bleiben zu finden. Wer dem Tod aus kritischer
Distanz in die Augen blickt, weiß die Freuden und Frevel des Lebens
danach zu schätzen.
So jedenfalls erging es Joachim Franz
Büchner. Nullpunkt dieser Platte war ein Abszess zwischen dem Herzen
und seiner Speiseröhre.
Der Musiker sah sich einer markerschütternden Krise konfrontiert –
und der eigenen Endlichkeit. Sechs lange Monate verbringt er in der
Klinik. Noch weiß er nicht, dass er nach seinem Solo-Debüt
„Ich bin
nicht Joachim Franz Büchner“
(2021) ein weiteres
Album schreiben wird. Irgendetwas aber geht vonstatten in seinem
Krankenbett. Angekommen zu Hause fühlt er sich wie eine Marionette
ohne Schwerpunkt. Weiterhin lädiert, wird er manche Nacht wach und
bringt ein Lied zu Papier. Nicht die Gitarre kürt er zum
tonangebenden Kompositionsmittel, sondern erstmals in seinem Leben
ein Klavier. Schulter an Schulter mit seinen Bandmitgliedern
Christian Heerdt, Maurice Meyer, Pola Lia Schulten und Philipp Wulf
arrangiert und verwirklicht er elf Musikstücke. Tobias Levin
schließlich prägt den Sound auf einer langen gemeinsamen Reise –
und produziert die „Hits
in the Dark“.
Eingeläutet
wird das Werk von einer lebensbejahend flirrenden Intrada aus
Schlagzeug und Trompete. Die Fanfare kommt nicht von ungefähr:
Miles Davis und Freddie Hubbard haben Büchner ihr
Blechblasinstrument einst lieben gelehrt.
Dann besingt der
Hamburger den Anfang vom Ende der Nacht. „Ich habe den Tod gesehen
und jetzt kommst du“,
heißt es in der ersten Singleauskopplung „Force
of Nature“. Es ist
ein Lied über die Errettung in der Zweisamkeit. Seinen romantischen
Konterpart zeichnet Büchner als Kraut gegen die Vergänglichkeit. Er
beschließt den Indie-Glam-Gassenhauer mit einem lasziven Hauchen:
„Es wächst“.
„Irgendetwas
fehlt“ lautet das
anrührende Porträt eines Suchenden, der eine Leerstelle in sich
ausmacht und sie doch nicht zu benennen vermag. Umrahmt wird das
Stück von eleganten
Streichern à la The Divine
Comedy. Albrecht
Schrader hat sie derart stilbewusst arrangiert, dass sie den Kitsch
haarknapp und doch zielgerichtet umschiffen.
Nachdem der
Platten-Protagonist im Vorgängerstück auf den Tresen kippte, wird
er übermütig. „Suggestion,
Spekulation, Verderben“ zeugt
von Opulenz, Pointierung und Zusammenballung. Sterben wolle er auf
der Bühne an einem Herzinfarkt. Mit überschäumender Willenskraft
bäumt er sich gegen die eigene Vergänglichkeit.
„Unvollendetes
Duett“ birgt den
zarten Lettre d’amour an eine Romanze, welche niemals die Schwelle
zur Realität überschritt. Stattdessen finden Büchner und die
Sängerin Anna Wydra den Liebreiz in der Illusion: „Alles was ich
an dir mag, ist nur in meiner Fantasie“. Die überhöhte
Tonkorrektur durch Auto-Tune
verleiht ihren Stimmen (und der Erzählung) etwas
Zerbrechliches.
Die nächsten beiden Stücke zeugen von
Herzklopfen, Nervenflattern und Zähneklappern. Körperliche Unruhe
kanalisiert auf dem Tanzparkett. Nach einer Phase der Apathie kommt
die „Nervöse
Energie“. Weil das
Leben in der Nacht am hellsten glänzt, erblickt Büchner im Taumel
des Mirabellenschnapses die „Königin
der Nacht“. Es sind
bonbonfarbene Momente – geboren werden sie aus Spielfreude, Funk
und Lebensgier.
Danach eine abermalige Vereinzelung. „Die
Glastür im Wald“ erzählt
von einem Abendspaziergang zwischen Bäumen, von dunklen Gedanken
über Angst und Entfremdung. „Ich
verliere meinen Weg“ markiert
schließlich den emotionalen Tiefpunkt der Platte. Die Elegie weckt
Erinnerungen an altes Glück: Der Sommer, Nusseis in Sizilien. „Wie
schön
wir uns verschwendeten.“ Ein fernes Lied legt Gefühle offen, die
wiederum Tränen kullern lassen. Es sind ergreifende Zeilen und
herzbrechende Bilder.
„Music
at Night“ ertönt
als sechsminütig-schillernde Feier des Lebens. Eine lautstarke
Trompete und flamboyantes Gezocke gipfeln im Jazz. „In vier Stunden
musst du im Büro sein, das ist fatal. Doch das ist dir egal“ –
ein letztes Mal zelebriert diese Platte ihre Erfüllung in der Sünde
und Verschwendung.
Das „Gute Nacht Lied“ ist ein Lullaby zwischen Dunkelheit und Licht. Ein Raumschiff hebt ab und schwebt durchs Nichts. Alle bösen Geister schweigen still: „Du bist Kapitän, aber ohne Pflicht. Du lässt alles los, nichts hat Gewicht. Alle guten Geister sind bei dir.“
Vielerlei
hat Joachim Franz Büchner im Laufe seiner Jahre fasziniert. Als
Viertklässler waren es die Guns N’ Roses und sehr viel später
B-Seiten von Suede. Die genresprengenden Super Furry Animals trägt
er im selben Herzen wie britisches Popkulturgut von den Beatles über
Queen bis zu den Manic Street Preachers. Offenkundig auch den
diskursiven Ethos und die Experimentierfreude der Hamburger Schule.
Mit Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs begleitete er kürzlich als
Gitarrist eine ihrer Wegbereiterbands auf Tournee. All diese
Erfahrungen und Einflüsse bringt er auf
„Hits in the Dark“ zusammen
– ob habituell, musikalisch oder ästhetisch.
Die Boxerin auf
dem Cover dieses Albums hat ihren Kampf gewonnen. Am Ende bleiben
Erlösung
– und die Erkenntnis, dass sich dieses Leben zu leben lohnt.
Letzte Worte gebühren Joachim Franz Büchner:
„Hits in the Dark ist eine Würdigung des menschlichen Wesens. Es sagt, dass wir voller Trauer und Verlust sind – aber auch, dass es Hoffnung gibt. Weil wir unterschätzen, dass die Menschen sensible, vernunftbegabte Wesen sein können, die zu liebevollen Gesten und Mitgefühl in der Lage sind. Und vor allem dazu, schöne Dinge zu tun, die nicht so leicht erklärbar sind und deren Wirkung andauern kann.“