Pauls Jets
Jazzfest
2LP
Pauls
Jets – Jazzfest
„So
richtig in Love“ auf YouTube
„Jazzfest“
auf YouTube
Jazzfeste
sind schon merkwürdig. Es treffen sich dort wohlerzogene,
gutangezogene Leute zu sündhaft teuren Eintrittspreisen, um sich
ganz gepflegt die wahnsinnigsten Intervalle von namenhaften
Jazz-Musiker*innen aus aller Welt anzuhören. Es geht um eine Musik,
die eigentlich von Unterdrückung und dem daraus resultierenden
Empowerment erzählt. Hier aber geht es zur Umbaupause erstmal
entspannt an die Bar.
Uns
aber kann das hier in diesem kleinen Pressetext erstmal komplett egal
sein, denn Pauls
Jets
aus Wien sind überhaupt keine Jazzband. Eher eine Art Rockband.
Eine, die liebend gerne mit allen möglichen Spielarten und Genres
herumexperimentiert. Von Postpunk zu Folksong. Vom Krautrock zum
Shoegaze. Von Trap zum Schlager. Wenn Trap nicht eh längst der
Schlager unserer Zeit geworden ist. Eine andere Frage.
Wie auch
immer: Die Jets sind schon auch Jazzfans. Und „Jazzfest“,
der titelgebende Song, der sich mit seinen herrlich aufgeführten
Klugscheißer-Dialogen zwischen Sänger und Gitarrist Paul
Buschnegg
und Keyboarder Kilian
Hanappi
sehr gut zwischen „0:30,
gleiches Ambiente“
von den Goldenen Zitronen und dem „Hamburg“
der Lassie Singers entspinnt, macht sich am Ende also nicht über das
Jazzfest und seine Besucher*innen, sondern eher über sich selbst
lustig. Teil einer Szene unerträglicher Besserwisser*innen zu sein,
die natürlich nur so lange unerträglich ist, bis man selbst Teil
davon geworden ist. So wie es in allen anderen Szenen eigentlich auch
der Fall ist
.
Ansonsten handelt das am 18.02.2022 beim Berliner Indie-Label Staatsakt erscheinende, von den Jets selbst produzierte Doppel-Album - vom häufigen Einsatz eines Saxofons, gespielt von Ferdinand Ehs einmal abgesehen - überhaupt nicht vom Jazz. Schon eher vom Fliegen, wenn es denn unbedingt so etwas wie einen roten Faden braucht. Es sind halt die Jets und Fliegen die beste Metapher: Um es also noch einmal auszusprechen: „Jazzfest“ handelt vom High sein. Vom Druffsein; vom Sommer und von der Liebe, von der Musik und von den Drogen. Vom kurzen Berauschtsein vom Glück. Bis zum Kater am Morgen. Vom schnöden Alltag in den Städten, der einem immer wieder als harter Landeplatz dient. Highs & Low: Die Jets kennen beide Seiten der Pille zum Glück. Und lassen sich in ihren Liedern vom Raben auf den Dächern erzählen, wie denn die Welt wohl von da oben ausschaut. Wenn man mal wieder unten ist. Tief unten.
Ureigentlich aber geht es bei den Jets sowieso und vor allem immer nur um die Liebe. Und um die eigene Alltagsuntauglichkeit. So gesehen auch um eine gewisse Alltagsuntauglichkeit der Liebe. Sie erzählen also davon, wie schwer es ist, die Liebe aus dem Rausch der Nacht in seinen Alltag zu überführen. Wenn der Wecker schon wieder so elendig früh am Morgen läutet. Vom Blues bis zum nächsten Weekend. Nach dem x. Absturz zweifeln wir dann zwangsläufig auch an unserer eigenen Beziehungsfähigkeit. Und daran, ob wir überhaupt schon mal so etwas wie richtige Liebe gespürt haben. „So richtig in Love ist sie nie“, heißt es dann etwa. Schwer zu begreifen, wie die Jets es schaffen, selbst aus diesem traurigen Sachverhalt einen solchen herzerwärmenden Song zu machen. Dabei muss man Liebe hier nicht unbedingt und ausschließlich als eine romantische Liebe sehen.
Außerdem
sind die Jets überzeugte Eskapist*innen. Ekapismus im Sinne von Pop
als Raum für Utopien, in dem Emotionen erklingen, für die der
schnöde Mammon ansonsten nicht viel übrig hat.
However, wer
solch herzergreifende Songs wie die Jets schreiben kann, braucht ganz
sicher kein Rickrolling,
um seine Friends
bei Laune zu halten. Auch wenn Bassistin und Sängerin Romy
Jakovic das
Touren mit ihrer Band eher wie eine lästige Therapie vorkommt, von
der man dann am Ende auch wieder eine Therapie braucht. Trotzdem
singen die Jets mit großer Überzeugungskraft von der Prophezeiung
einer kommenden „Lazy
Generation“,
in der sogar die Maschinen blau machen können. Oder in bester Lee
„Scratch“ Perry Manier einfach auch mal verspulte, dysfunktionale
Dub-Effekte raushauen dürfen!
Im
großen Finale fliegen wir dann alle zusammen schwer berauscht in den
Obstbaumwald. Der klingt mit Xavier
Plus'
teutonischen Schlagzeugpatterns ein wenig wie Can im Wunderland. Oder
Louis Carroll im Vogelbrandrausch. Amon Düül werden hier
wiedergeboren als Austro Düül 2. Wenn Sie verstehen, was wir
meinen.
Kurz: Dieses vor fantastischen Ideen übersprudelnde Album wirkt am Ende wie ein kunterbunter Kindergeburtstag mit den Flaming Lips. Wie ein selbst gemachtes White Album der Beatles! So als wäre Andreas Dorau bei der Gruppe Ja, Panik eingestiegen! Mehr Spielfreude, mehr Rausch, Psychedelic und Love mit so vielen herausragenden Songs werden sich jedenfalls in diesem Jahr kaum finden lassen! Aufgenommen wurde das Album wiederum mit und in den heiligen Hallen des Naked Lunch-Manns Herwig Zamernik alias Fuzzman.
Tracklisting:
01
– Jazzfest
02
– Intro
03
– Flieger
04
– Therapy
05
– Kohlpechna
06
– Baby
07
- Lazy Generation
08
– Büro
09 - Der Wecker läutet früh am morgen
10
– Beach
11 - So richtig in Love
12
- Jeder Freund
13
– Snippet
14
- Fake U lie
15
– Weekend
16-
Magdeburg
17 – Obstbaumwald
18
- Schmetterling