Das Behälter
Star of the Future
LP
Woran hält man sich fest, wenn die Welt zu entgleiten scheint und in ihre Einzelteile zerbricht? Wenn man sich selbst in seine Einzelteile aufzulösen scheint, vermeintliche Gewissheiten ins Nichts verpuffen? Wenn das System des kapitalistischen Patriarchats schlingpflanzengleich bis ins Innerste hinein greift?
„I called upon the star of the future to save me from my fate“
Selbstironisch und verzweifelt, präzise analysierend und herrlich verschroben umkreist die transfeministische Texterin und Performerin Xenia Ende diese Themen, wieder und wieder, zirkelt sie wie in einer hypnotischen Meditation poetisch um sich und die Gesellschaft, um die Welt an sich und die Blase des Normativen, begleitet vom experimentellen Free Jazz von Saxophonist Julius Gabriel, Bassist Gabor Bodolay, Schlagzeuger Karl-F. Degenhardt und Elektrokünstler Achim Zepezauer. Oder kurz gesagt: Das Behälter ist zurück.
Es hat ja auch nur sieben Jahre her, dass das Quintett aus dem Ruhrgebiet mit „The World is All that is the Case“ sein Debüt veröffentlichte. In der Zwischenzeit ist viel passiert, alle waren mit ihren eigenen Projekten und Ideen unterwegs und beschäftigt, bis, ja bis dann Corona kam. Und Das Behälter sich wieder zusammenfand. Aus ersten Ideen und Soundspielereien entstand eine Studiosession, in der die Band intuitiv, spontan und improvisatorisch diese Ideen weiterdachte. Xenia Ende brachte einen Text mit, die Band lieferte dazu den Sound – fertig war das Album.
Naja, nicht ganz: im Anschluss an die Session nahm Julius Gabriel die Aufnahmespuren auseinander, setzte sie neu zusammen, wie ein Tetrisspiel oder Puzzle, und kreierte aus dem Zusammenspiel, aus dem Experiment eine Dramaturgie und ein Album, das zwischen der Unmittelbarkeit eines experimentellen Free Jazz und der Bedachtheit des Samplings oszilliert, zwischen skurrilem Ambient-Momenten, sphärischen Flächen („Like Any Day“), die ins Weltall schweben („Back to Normal“) und wilden Klangexplosionen, die alles mitreißen was im Wege steht („Star of the Future“, „You’re Just Not“). Dazu moduliert Xenia Ende ihre Stimme in endlosen Variationen: sie deklamiert und quiekt, lässt ihre Worte zittern, sie schreit, haucht, schickt ihre Stimme in die Zukunft, in die Vergangenheit und ins Outer Space. Theatralik und Authentizität umarmen sich, es klingt nach Nervenzusammenbruch und messerscharfer soziologischer Analyse unserer wahnsinnigen Gegenwart. Nonkonformismus, aber als Lebensentwurf.
Trotz aller nachträglichen Produktion hört man vor allem aber eine Band, die eingespielt ist und miteinander harmoniert, die Erfahrung des gemeinsamen Tourens prägt den Klang von Das Behälter, das Zusammenspiel von Text und Musik, von Experiment und Ordnung.
Ist das jetzt ein Album? Ein Hörspiel? Vielleicht beides und nichts davon. Im Zentrum von Star of the Future steht Endes Text, der die manchmal fast disparaten musikalischen Welten miteinander verbindet und zusammenhält, auch wenn ihn selbst bisweilen nichts mehr hält „Den Text habe ich über neun Monate in teilweise intensiven Ausnahmezuständen geschrieben“, erinnert sich Ende, „er ist eine Collage, die an verschiedenen Orten und über verschiedene Umzüge und Reisen entstanden ist.“ Sie lacht, „Ihm zu folgen ist ganz schön viel, das ist ja ein richtiger Aufsatz!“
„Maybe you do know shit?“
Es geht um privilegierte Identitäten, um die Auseinandersetzung mit dem eigenen bürgerlichen Bewusstsein, Schattenboxen mit dem Ennui einer Existenz, die eigentlich keine Kämpfe ausfechten muss. Aber es ist auch eine komplexe Diskussion von Widersprüchen und Paradoxien des Lebens, es gibt keine einfachen Antworten. Nein, Xenia Ende umarmt das Unbehagen, und die Band spiegelt die Zerrissenheit im Text im dazugehörigen Sound, umspielt sie und setzt Kontrapunkte, wie etwa im letzten und zentralen Stück „I Don’t Think So“.
„What about me? Why is this not about me?“
Star of the Future ist about you. About you und me und uns alle. Es hält uns einen Spiegel vor, verzerrt und klar, erschreckend und zärtlich. Ein Album, ein Narrativ, eine Aufgabe, die uns durch diese verwirrenden und verwirrten Zeiten trägt. Und vielleicht, vielleicht zum Lachen über uns selbst bringt.
„Star of the Future“ erscheint am 03.02.2023 über Fun in the Church/Bertus/Zebralution.
Text: Aida Baghernejad
Das Behälter - Star of the future (Single) auf YouTube: https://youtu.be/p58DwR-CF9w
Tracklisting:
01 - You're Just Not
02 - Like Any Day
03 - Star of the Future
04 - Back to Normal
05 - This World
06 - Heads Ringing
07 - Visionistars
08 - Touch Yourself
09 - I Don't Think So
Tourdaten:
03.03.2023 Duisburg, Stapeltor
04.03.2023 Düsseldorf, Salon des Amateurs
09.03.2023 Hamburg, Golden Pudel Club
10.03.2023 Berlin, Ausland
11.03.2023 Leipzig, Hitness Club
*wird fortgesetzt
Web:
https://dasbehaelter.de/
https://www.facebook.com/dasbehaelter/
„I called upon the star of the future to save me from my fate“
Selbstironisch und verzweifelt, präzise analysierend und herrlich verschroben umkreist die transfeministische Texterin und Performerin Xenia Ende diese Themen, wieder und wieder, zirkelt sie wie in einer hypnotischen Meditation poetisch um sich und die Gesellschaft, um die Welt an sich und die Blase des Normativen, begleitet vom experimentellen Free Jazz von Saxophonist Julius Gabriel, Bassist Gabor Bodolay, Schlagzeuger Karl-F. Degenhardt und Elektrokünstler Achim Zepezauer. Oder kurz gesagt: Das Behälter ist zurück.
Es hat ja auch nur sieben Jahre her, dass das Quintett aus dem Ruhrgebiet mit „The World is All that is the Case“ sein Debüt veröffentlichte. In der Zwischenzeit ist viel passiert, alle waren mit ihren eigenen Projekten und Ideen unterwegs und beschäftigt, bis, ja bis dann Corona kam. Und Das Behälter sich wieder zusammenfand. Aus ersten Ideen und Soundspielereien entstand eine Studiosession, in der die Band intuitiv, spontan und improvisatorisch diese Ideen weiterdachte. Xenia Ende brachte einen Text mit, die Band lieferte dazu den Sound – fertig war das Album.
Naja, nicht ganz: im Anschluss an die Session nahm Julius Gabriel die Aufnahmespuren auseinander, setzte sie neu zusammen, wie ein Tetrisspiel oder Puzzle, und kreierte aus dem Zusammenspiel, aus dem Experiment eine Dramaturgie und ein Album, das zwischen der Unmittelbarkeit eines experimentellen Free Jazz und der Bedachtheit des Samplings oszilliert, zwischen skurrilem Ambient-Momenten, sphärischen Flächen („Like Any Day“), die ins Weltall schweben („Back to Normal“) und wilden Klangexplosionen, die alles mitreißen was im Wege steht („Star of the Future“, „You’re Just Not“). Dazu moduliert Xenia Ende ihre Stimme in endlosen Variationen: sie deklamiert und quiekt, lässt ihre Worte zittern, sie schreit, haucht, schickt ihre Stimme in die Zukunft, in die Vergangenheit und ins Outer Space. Theatralik und Authentizität umarmen sich, es klingt nach Nervenzusammenbruch und messerscharfer soziologischer Analyse unserer wahnsinnigen Gegenwart. Nonkonformismus, aber als Lebensentwurf.
Trotz aller nachträglichen Produktion hört man vor allem aber eine Band, die eingespielt ist und miteinander harmoniert, die Erfahrung des gemeinsamen Tourens prägt den Klang von Das Behälter, das Zusammenspiel von Text und Musik, von Experiment und Ordnung.
Ist das jetzt ein Album? Ein Hörspiel? Vielleicht beides und nichts davon. Im Zentrum von Star of the Future steht Endes Text, der die manchmal fast disparaten musikalischen Welten miteinander verbindet und zusammenhält, auch wenn ihn selbst bisweilen nichts mehr hält „Den Text habe ich über neun Monate in teilweise intensiven Ausnahmezuständen geschrieben“, erinnert sich Ende, „er ist eine Collage, die an verschiedenen Orten und über verschiedene Umzüge und Reisen entstanden ist.“ Sie lacht, „Ihm zu folgen ist ganz schön viel, das ist ja ein richtiger Aufsatz!“
„Maybe you do know shit?“
Es geht um privilegierte Identitäten, um die Auseinandersetzung mit dem eigenen bürgerlichen Bewusstsein, Schattenboxen mit dem Ennui einer Existenz, die eigentlich keine Kämpfe ausfechten muss. Aber es ist auch eine komplexe Diskussion von Widersprüchen und Paradoxien des Lebens, es gibt keine einfachen Antworten. Nein, Xenia Ende umarmt das Unbehagen, und die Band spiegelt die Zerrissenheit im Text im dazugehörigen Sound, umspielt sie und setzt Kontrapunkte, wie etwa im letzten und zentralen Stück „I Don’t Think So“.
„What about me? Why is this not about me?“
Star of the Future ist about you. About you und me und uns alle. Es hält uns einen Spiegel vor, verzerrt und klar, erschreckend und zärtlich. Ein Album, ein Narrativ, eine Aufgabe, die uns durch diese verwirrenden und verwirrten Zeiten trägt. Und vielleicht, vielleicht zum Lachen über uns selbst bringt.
„Star of the Future“ erscheint am 03.02.2023 über Fun in the Church/Bertus/Zebralution.
Text: Aida Baghernejad
Das Behälter - Star of the future (Single) auf YouTube: https://youtu.be/p58DwR-CF9w
Tracklisting:
01 - You're Just Not
02 - Like Any Day
03 - Star of the Future
04 - Back to Normal
05 - This World
06 - Heads Ringing
07 - Visionistars
08 - Touch Yourself
09 - I Don't Think So
Tourdaten:
03.03.2023 Duisburg, Stapeltor
04.03.2023 Düsseldorf, Salon des Amateurs
09.03.2023 Hamburg, Golden Pudel Club
10.03.2023 Berlin, Ausland
11.03.2023 Leipzig, Hitness Club
*wird fortgesetzt
Web:
https://dasbehaelter.de/
https://www.facebook.com/dasbehaelter/