Arne Zank
Dasu Isuto Aresu
12"-Vinyl
Tracklist:
1 Scheritt
2 Die Lücke
3 Come to me, Chameleon
4 Flussrohrpfeiffer
5 Gib mir keine Hoffnung mehr
6 Denke dran
Arne
Zank „Dasu isuto aresu“
Im
Frühjahr 2014 verbrachte der
Musiker
und Comicautor Arne Zank drei Monate
in Kyōto. Ein
Aufenthalt, der Zank, bereits vor Ort künstlerisch inspiriert hat
zur Arbeit an Songs und Comics. Die Finalisierung der sechs
Songs (unter Mithilfe von Mense Reents), die nun in
Form der „Dasu isuto aresu“ betitelten EP
erscheinen, sollte danach aber ein ganzes Jahrzehnt auf
sich warten lassen, simply weil „Das Leben eben
ein langer, unruhiger Fluss ist“, wie es Arne Zank
so treffend und für uns alle sicherlich nachvollziehbar auf
den Punkt bringt.
„Dasu isuto aresu“ ist
vom Titel (der sich auf eine frühe Kurzgeschichte
von Haruki Murakami namens „Redāhōzen“ – zu
deutsch Lederhosen – bezieht) über das Artwork (das
Cover zeigt ein Foto des Kamogawa,
des Fluss, der durch Kyōto
fließt;
die Rückseite ziert eine Zank Zeichnung aus einem Park in
Tokio) bis hin zu den vor Ort getätigten
Field Recordings (von piepsenden Ampeln, lustige
Melodien spielenden Klohäuschen und exotisch anmutenden
U-Bahn-Ansagen), beim Flanieren eingesungenen
Melodien, popkulturellen Klangreferenzen
und Textbezügen (zu Einflüssen
und Erlebnissen) geprägt von Zank`s Aufenthalt
in Kyōto.
„Ich bin stimmungsmäßig
einerseits sehr begeistert von der Gegend gewesen“,
erinnert er sich, geradezu „euphorisch“ – er habe aber
auch „extrem viel Heimweh“ gespürt, sich „schon
sehr fremd und allein“ gefühlt.
Arne
Zank eröffnet „Dasu isuto aresu“ mit "Scheritt“, einer
Art Gute-Nacht-Lied, das uns dazu rät, die Hände
lieber vor die Augen zu schlagen angesichts der Hinterlistigkeit der
Welt. Einschlafen als Prozess der Verdrängung. Das Unwohlsein
habe sich schon beim Texten eingestellt, merkt Zank an und verweist
auf die künstlerischen Selbstzweifel, die seinen Alltag prägen:
„Was quatscht man die Leute voll? Was richte ich damit
an?“
"Scheritt“ sei auch ein gutes Beispiel
für den Einfluss von Mense Reents auf die EP; der den
Song, der in der Kyōto-Aufnahme
„sehr verrumpelt“ geklungen habe, „mit
modernster KI-Technologie (wie bei den Beatles!)“ gepimpt habe,
wie Zank ausführt.
„Die
Lücke“, das
auf einem Zitat von Heidi Paris vom Merve Verlag
basiert und dessen Melodie von David Sylvian „entlehnt“
wurde, nimmt uns dann mit in eine dieser für Japan typischen
Minibars (in die 5 bis 8 Personen passen) – draußen
spiegelt sich das Neonlicht in einer Pfütze und der Protagonist
erinnert sich an das, was mal war. Auch hier betont Zank die Rolle
von Reents: „Er hat noch etwas Retro-futuristisches
hinzugefügt, was ich super finde. Wie Osaka zu Zeiten von "Blade
Runner" oder noch besser: "Black
Rain".“
Mit „Come to me, Chameleon“ schwimmt
sich Arne Zank dann sprichwörtlich frei. Das
Instrumentalstück, das an die große japanische Popband Yellow
Magic Orchestra denken lässt, macht mit Lofi-House
einen ganz anderen Soundkosmos auf. Er habe in der Vergangenheit
oft damit gehadert, dass er das Genre seiner Musik nicht selbst klar
habe bestimmen können, erzählt Zank. Und ergänzt, dass ihm das
jetzt eher egal sei.
Derart
befreit ist dann alles möglich, auch ein von der Renaissance
Musik von John Dowland sowie „Weep,
o mine eyes“ von John Bennet beeinflusstes und
von einem wunderschönen Elektro-Piano-Motiv (im
besten Ladomat 2000 Style) getragenes Stück
wie „Flussrohrpfeiffer“,
entstanden bei einem Spaziergang am Kamogawa.
Der
vorletzte Song der Ep, „Gib
mir keine Hoffnung mehr“,
zeigt die Einflüsse japanischer Musik am klarsten.
Das Gitarrenfragment klingt so intensiv nach
japanischen Theater, dass sich unvermittelt eine alles
erfassende Hoffnungslosigkeit einstellt.
In „Gib mir keine Hoffnung mehr“ verarbeitet Arne Zank
den Tod seiner Mutter nach langer Krankheit. „Diese Hilflosigkeit
ist sehr quälend“, führt er aus. „Wenn man emotional am
tiefsten Punkt angekommen ist, dann ist es fast befreiend, keine
Hoffnung mehr zu haben.“
Es sei ihm wichtig gewesen, die Ep mit „Denke dran“ noch eine positive Schlussnote zu geben, betont Arne Zank. Ursprünglich trug der Song den Titel „Anaki“ (auf deutsch: Anarchie), weil sich in der staatstragenden Atmosphäre des Goethe-Instituts die linksradikalen Reflexe von Zank bemerkbar gemacht haben und er deswegen viel über Protestbewegungen recherchiert hat. Schlussendlich ist es aber doch „ein Stück über Sehnsucht“ geworden, an dessen Ende man die Krähen am Kamogawa klagend schreien hört. Schöner kann man ein Werk nicht ausklingen lassen.
Das ist alles.
Thomas Venker, Juli 2024, Köln